Bei der Planung einer Reise auf die Insel Kodiak in Alaska bin ich auf die Radiostation KMXT gestossen. Lokale Radiostationen sind für mich immer eine gute Einstimmung im Vorfeld auf eine Reise. KMXT plante, im Oktober 2007 erstmals einen Marathon auf Kodiak durchzuführen. Die Strecke führte Coast-to-Coast (von der Coast Guard Base an der Women‘s Bay über den Anton Larson Pass zur gleichnamigen Bay und zurück. Das hiess für mich: Anmelden! Der Lauf würde am Ende meiner Ferien stattfinden, ich musste also keine gross Planung vornehmen: Lachsfischen – Bärenfilmen – Marathon und dann gleich nach Hause.
Meine Anmeldung hat im verschlafenen Kodiak City eine kleinere (wirklich nur kleinere) Welle ausgelöst. Ich wurde sogar am Flughafen abgeholt. Es war klar, dass da kein Spitensportler aus der Schweiz kommt. Man freute sich einfach, dass jemand aus dem Ausland teilnehmen will. Zwei Tage später musste ich los zum Radiointerview ins Studio. So wurde ich den folgenden Tagen immer wieder auf der Strasse angesprochen und einige Einladungen folgten. Zu solchen Einladungen kaufte ich immer brav eine Flasche guten Rotwein als Präsent. Auch beim letzten Mal musste ich im Bottleshop meinen Ausweis der immer gleichen Verkäuferin zeigen: „No person under 21 may…“
Nach fast 3 Wochen, die ich meist in meinen Waders im Buskin, dem Olds River sowie einigen Tagen an der Uykak Bay um Aleut Island verbrachte, folgte die Pastaparty in einem Roadhouse, wie es kaum typischer sein könnte. Dabei merkte ich schnell, dass dieser erste Marathon eine volkstümliche Angelegenheit werden sollte. Die meisten Teilnehmer meldeten sich für den Halbmarathon oder kürzere Strecken an. Zum Glück richtete sich der Fokus nicht gross auf mich, da ein anderer Teilnehmer bekannt war: Ein Läufer, der in Kodiak seinen 519. Marathon lief, musste Red und Antwort stehen. 519…also den verstehe ich nun wirklich nicht. Diese arme Seele hetze nach dem Lauf zum Flughafen: In 24 Stunden lief er bei brütender Hitze den Chikago Marathon. Für mich war nur wichtig, dass ich ins Ziel komme, trotz der unüblichen Vorbereitung. Blamieren wollte ich mich nicht…
Am Renntag fiel der erste Schnee und es war s…kalt. Dies führte dazu, dass sich noch einige Marathonis entschieden, auf die halbe Strecke zu wechseln. So waren wir nur noch etwa 30 Leute am Start. Die meisten waren Männer von der Coast Guard Station (die grösste Basis an der Westküste ist auf Kodiak, eine abgeschirmte Siedlung mit über 2500 Menschen). Das sind alles grosse, muskulöse Kerle. Im Lauf merkte ich schnell, dass dies nicht unbedingt Läufertypen sind, aber aufgeben tun sie nicht. Ich lief ein lockeres Tempo, war aber nach etwa 18 km alleine unterwegs. Ich beschloss, von nun an nicht zurückzuschauen. Ich wollte einfach den Lauf in dieser herrlichen Gegend geniessen. Es klarte bald auf und beim Wendepunkt lief ich der Küste entlang, alle 200 Meter flog ein Bald Eagle auf – Glückshormone pur. Als ich den Pass auf dem Rückweg hinter mir liess, wurde ich nun doch etwas nervös. Einige Mädchen, die mit Vaters Wagen die Verpflegung organisierten (eiskaltes Wasser oder ebensolchen Tee), begleiteten mich auf den letzten 2 Kilometern. Aus dem Wagen unterstützen sie mich lautstark und die Girls feierten mich schon als Sieger. Ich ging tatsächlich als erster ins Ziel. Es folgte ein lockeres BBQ im Golfclub, alles etwas improvisiert, aber dafür sehr herzlich, viel Selbstgebackenes und ‚crowded‘. Die Insel Kodiak ist fast nur um Kodiak City bewohnt, so dass die meisten Läufer mit ihren Familien anwesend waren. Es galt, Einnahmen zu erzielen, da der Lauf als Charity Anlass durchgeführt wurde. In solch entlegenen Regionen ist der Zusammenhalt unter den Einwohnern spürbar gross. Abends in der Stadt habe ich noch einige Läufer getroffen, mit denen ich essen ging (die Hamburger beim BBQ nach dem Lauf konnten keine Hungergefühle wecken). Meine Schlummermutter im B&B war mächtig stolz, die alte Dame hat ebenfalls Marathonerfahrungen, die zwar schon etwas älter sind. Es wird sicher mein einziger Lauf bleiben, den ich als erster beenden werde. Aber die Erinnerung an diesen einmaligen Lauf werde ich nie vergessen.
Einziger Wermutstropfen: Es gibt in Kodiak City das Mill Bay Coffee and Pastry mit Crémeschnitten, die ein ausgewanderter französischer Bäcker herstellt (der war mal Chefkoch beim französischem Präsidenten Giscard d’Estaing): Einfach himmlisch! Gigantisch! Ich war immer wieder dort, um einen guten Kaffee zu trinken und habe mir vorgenommen, mich mit einer Crémeschnitte zu belohnen, wenn der Marathon vorbei ist. Die ganze Zeit habe ich widerstanden und habe brav jeweils nur einen Muffin oder ein Brownie ausgewählt – am Nachmittag nach dem Marathon besuchte ich das Café: Die Vitrine war bereits leergefr… I’ll be back!
Mein erster Marathon in den USA, es musste wirklich nicht der NYC Marathon sein.