Auf Jean’s Wunsch hin möchte ich gerne noch eine pferdige Rückschau auf unsere Kirgistan-Reise halten. Wer weiss, vielleicht verirrt sich ja einmal jemand auf die website, die oder der vom Pferdevirus ebenso unheilbar befallen ist wie ich.
Kirgistan ist ein klassisches Pferdeland, in welchem die Vierbeiner vor allem auch in den gebirgigen Regionen nach wie vor täglich im Einsatz sind, sei dies nun als Reittier, zum Ziehen eines Karrens, als Packpferd oder, last but not least, als Lieferanten der begehrten Stutenmilch, die zum landesweit beliebten Kumys verarbeitet wird. Die Stuten werden in der Regel tagsüber angebunden und von ihren Fohlen getrennt und nach dem abendlichen Melken die ganze Nacht über frei, zusammen mit ihren Fohlen, laufen gelassen.
Das ursprüngliche Kirgisische Pferd wurde während der Sowjetzeit stark mit aus Russland importierten, wesentlich grösseren Pferden eingekreuzt. Dadurch gingen die für die Rasse so typischen Merkmale wie Robustheit, Trittsicherheit, kleiner, kompakter Körperbau, die typische Ramsnase oder die kleinen, trockenen Hufe häufig zumindest teilweise verloren. Erst in den letzten Jahren ist man sich auch im Land selber dieses kostbaren Erbes wieder bewusster geworden, und es wurde damit begonnen, das Kirgisische Pferd mit seinen so wertvollen Eigenschaften wieder möglichst rein zu ziehen. Für den interessierten Leser gibt es hier weitere Infos: atchabysh.org.
Auch auf unserem Trekking waren ein paar wenige Pferde, welche diese typischen Eigenschaften aufwiesen, mit dabei, darunter dasjenige von Hans. Das Kirgisische Pferd kommt in allen erdenklichen Farbschlägen vor, was vor allem bei einer grösseren Herde zu einer wahren Augenweide werden kann! Beim ursprünglichen Typus sind die Behänge oft dicht und üppig. Kirgisische Pferde sind eher klein, das Stockmass variiert zwischen 1.35m und 1.50, selten mehr.
Kirgisische Pferde werden nur beschlagen, wenn sie im Einsatz sind. Ansonsten laufen sie barfuss, was ihnen dank ihrer meist sehr gesunden und harten Hufe keine Probleme bereitet. Auf unserem Trekking musste einmal ein Pferd beschlagen werden. Wie in vielen Ländern dieser Erde wird auch in Kirgistan in der Regel kalt beschlagen, wodurch zwar nicht ganz so fein gearbeitet werden kann, man andererseits aber unabhängig ist und bei Bedarf dem Pferd immer und überall ein neues Eisen aufnageln kann. Wir wurden dabei auch gleich Zeugen vom Können von Gildisbek und Ktrbek.
Die traditionellen kirgisischen Sättel haben ein Horn, ähnlich einem Western-Arbeitssattel, und einen hohen Cantle. Sie sind in aufwändiger Handarbeit aus Holz gefertigt und kosten gut und gerne einen halben, durchschnittlichen kirgisischen Jahreslohn. Früher wurde die harte Sitzfläche mit Schaffellen gepolstert, heute werden meist Decken verwendet. Somit wird auch nicht routinierten Reitern ein angenehmes und beschwerdefreies Sitzen ermöglicht. Möchte man noch ein bisschen weicher sitzen, kann man durchaus von zu Hause ein extra Schaffell mitbringen. Wegen der dicken Polsterung sitzt man recht weit vom Pferderücken entfernt, was anfangs eher gewöhnungsbedürftig ist. Auch die Mitnahme von Hornbags macht durchaus Sinn; so hat man Kamera, Sonnenbrille, Trinkflasche und andere Kleinigkeiten immer griffbereit. Das Pad besteht aus einer oder mehreren Lagen Filz. Sehr häufig sieht man auch russische Sättel, welche wesentlich preisgünstiger sind. Die Zaumzeuge sind simpel, die Trensen meist dünn und scharf und die geschlossenen Zügel der kirgisischen Reitweise entsprechend kurz.
Kirgisische Pferde sind nicht nur extrem trittsicher und geländegängig, sehr viele verfügen auch über die Fähigkeit, im Passgang gehen zu können. Für den Reiter ist dies überaus komfortabel, da praktisch erschütterungsfrei, zu sitzen. Zudem können so enorme Strecken zurückgelegt werden. Da die Pferde aber meist Pass und nicht Tölt laufen, tut ihnen mit der Zeit der Rücken weh. In unserer Truppe hatten viele von ihnen mehr oder weniger starke Rückenschmerzen. Dazu beigetragen haben aber bestimmt auch die nicht immer optimal passenden Sättel und Pads. Dies wiederum resultierte ab und zu sogar in grösseren wunden Stellen, welche unsere Guides mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln täglich behandelten.
Die Pferde, welche auf unserem Trekking dabei waren, waren nicht nur daran gewöhnt, an einem langen Strick angebunden zu grasen, ohne sich dauernd zu verheddern. Auch mit Hobbles konnten sie perfekt umgehen. Am meisten gestaunt haben wir jeweils, wie sie mit ihren zusammengebundenen Vorderbeinen in Häschen-Hüpf-Manier selbst die steilsten Böschungen hinunter- und hinaufgaloppiert sind!
Für PferdeliebhaberInnen ist Kirgistan ein unvergessliches Erlebnis. Pferde sind hier, wie bereits erwähnt, nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens und geniessen vor allem bei den ethnischen Kirgisen einen sehr hohen Stellenwert. Nichtsdestotrotz müssen sie den harten Anforderungen genügen, seien diese nun klimatischer Natur oder der sehr unzimperliche Umgang. Sie sind in erster Linie Nutztiere, aber auch immer noch Statussymbol. Dies zeigt sich vor allem bei den Pferdefesten, wo, wie in ganz Zentralasien üblich, Ringkämpfe zu Pferd, Flachrennen über sehr grosse Distanzen auf in der Regel ungesattelten Pferden oder eine leicht abgewandelte Form des aus Afghanistan bekannten Buzkashi ausgetragen werden. Kirgisen würden nie zu Fuss gehen, wenn sie ein Pferd haben. Abgestiegen wird nur, wenn es gar nicht anders geht. Ein Pferd kommt in Kirgistan wirklich fast überall durch, egal wie steil, unwegsam, steinig, uneben oder rutschig das Gelände ist. Selbst ein Steinbock würde hier, so er das könnte, vor Neid erblassen. Flüsse werden vorzugsweise im Wasser durchquert, was angesichts der raren, oft abenteuerlich aussehenden Brücken meist auch die vernünftigere Option ist! Und dann gibt es immer wieder flache Abschnitte mit weichem, grasbewachsenem, blumenübersätem Boden. Dann können die Gedanken abschweifen, man darf in den Tag hinein träumen, die Seele baumeln lassen und die phantastische, atemberaubend schöne Landschaft vom Pferderücken aus geniessen. Dort liegt es schliesslich, das Glück dieser Erde 😉
Weitere Bilder sind in der Galerie zu finden.
Comments
Für mich als Pferdenarr und Tierärztin waren das Pferdetrekking (über CBT organisiert) der blanke Horror. Unsere Pferde waren abgemagert, zum umfallen müde und hatten Wunden an den Beinen. das Pferd des kirgisischen Guides hatte beidseitig eine Entzündung der oberflächlichen Beugesehen, war sehr schmerzhaft auf Druck und ging lahm, er merkte es zwar, es wurde aber weiter im Trab geritten. Er gab sogar zu, dass er die Beinfesseln wohl etwas zu kurz geschnallt hatte. Alle unsere Pferde hatten Narben und eins auch frische Wunden an den Beinen. Die Pferde bekommen keine Pausen zwischen den Trekks und werden gleich wieder zum Song Kol hinaufgejagt ohne Ruhetag dazwischen. Durch das ständige Reissen im Maul (wie die Kirgisen reiten, vorne reissen, hinten schlagen mit der Peitsche, das hat mit Reitkunst nicht das geringste zu tun) waren abends die Maulwinkel der Pferde offen und blutig. Dabei waren unsere müden Hengste ohne Problem am langen Zügel reitbar, sie mussten nie gebremst werden. Als ich im langsamen Schritt den Anschluss verlor, da die anderen immer trabten,wollte der Guide mein Pferd vor sich her peitschen, was ich ihm untersagte, somit war ich der Buhmann der Gruppe. Der Pferdeverleih auf dem Kyzart Pass hat nicht nur schrecklich magere und müde Pferde, es wurde mir zudem ein Pferd gegeben, dass eine tiefe eitrige Wunde (Schlagwunde) am Bein aufwies und lahmte. Als ich es zurück gab, verstand das niemand und das Pferd lief einfach mit den nächsten Touristen zum Song Kol. Ich werde CBT noch eine Mail schreiben, aber wenn so mit den Pferde umgegangen wird, kann das Potential des Trekkingtourismus am Song Kol ganz schnell beerdigt werden.
Den zweiten Teil der Ferien, wanderten wir zu Fuss zum Kol Ukok, ich konnte die armen Pferde nicht mehr sehen.
Wer richtig hinschaut, kann die Brutalität nicht übersehen, mit denen die Menschen dort die Tiere behandeln. Ein Cowboy trieb bei 30 Grad Kälber und Kühe im Galopp auf die Alp, das Kalb schäumte und brach ein, er schlug es mit dem Stock bis es wieder aufstand und scheuchte es weiter im Galopp den Berg hinauf, das war am letzten Tag beim Abstieg vom kol ukok, meine Ferien waren gelaufen, am liebsten würde ich alle Erinnerungen auslöschen.
Liebe Regula,
Danke für deinen Kommentar zu unserer Kirgistan-Reise.
Du hast offensichtlich die schwärzeste Seite des Umgangs mit Pferden in Kirgistan erlebt. Auch wir waren nicht immer glücklich damit, wie unsere Guides mit den Tieren umgegangen sind. Dabei handelte es sich aber vor allem um gewisse Praktiken, wie z.B. dass die Pferde nach unserer Ankunft zuerst oft mehrere Stunden angebunden wurden, bevor man sie fressen liess, dies mit der uns etwas absurd erscheinenden Begründung, dass sie dann nicht so gierig anfangen würden zu fressen und dann dafür die ganze Nacht das Gras langsam zu sich nehmen würden, was ihnen besser bekomme. Auch sonst ist der Umgang natürlich ein ganz anderer als derjenige, den wir mit unseren Pferden zu Hause pflegen. Allerdings haben wir wirklich nie erlebt, dass die Tiere gequält oder geschlagen wurden. Auch Hans und sein Pferd wollten nicht dauernd traben, haben dies auch klar kundgetan, und dies wurde von den Guides schlussendlich auch so akzeptiert, ohne dass eine ungute Stimmung entstanden wäre.
Wir waren nicht mit CBT-Pferden unterwegs. Unsere Tiere gehörten – und gehören immer noch – mehreren Bauern aus der Ortschaft Kyzyl Too. Die Tiere laufen vor allem auf diesen beiden von George Freivogel organisierten Trekkings, ansonsten werden sie relativ wenig gebraucht. Dies bedeutet, dass sie zwischen den Wanderritten auch Zeit haben, sich zu erholen, entstandene Druckstellen / Wunden können so auch wieder heilen. Viele dieser Tiere sind seit Jahren im Einsatz, was auch ein gewisses Indiz dafür ist, dass es ihnen gut geht.
Es liegt mir fern, hier irgendetwas zu beschönigen. Viele Kirgisen gehen mit ihren Pferden äusserst unzimperlich und rau um und wären auf einem Motorrad wohl besser aufgehoben als auf einem lebendigen Wesen. Mit Reitkunst hat dies dann wirklich rein gar nichts zu tun. Aber es gibt auch in diesem Land Leute, welche durchaus sehr viel von Pferden verstehen und sie auch anständig behandeln. Andererseits will, kann und darf ich mir auch nicht anmassen, über eine andere Kultur zu urteilen. Ich war Gast in diesem Land, und diese Gastfreundschaft beinhaltet für mich auch, lediglich zu beobachten, aber nicht zu urteilen.
Öfter habe ich mir die Frage gestellt, wie ein Pferd wählen würde – Boxeneinzelhaltung mit 16m2 Paddock, vielleicht ein paar Aren Einzelweide, wo es gerade mal drei oder vier Galoppsprünge machen kann und ein/e BesitzerIn , welche ein paar Mal pro Woche für eine oder zwei Stunden mit dem Equiden ausreitet oder eben ein Pferd in Kirgistan, welches ein hartes Leben hat, spätestens mit 15 Jahren als Beshbarmak endet und viele Sommer mit seinen Artgenossen auf dem Jailoo verbracht hat. Auch hierüber mag ich nicht urteilen.
Ein Mail an CBT zu schrieben ist bestimmt eine sehr gute Idee, denn das, was du geschildert hast, ist absolut inakzeptabel, und das Potential für Pferdetrekking wird so direkt im Keim erstickt. In der aufrichtigen Hoffnung, dass du so etwas bewegen kannst, schicke ich dir sonnige Grüsse,
Monika