Burkhard und ich treffen am Tag vor dem Rennen in Oberstdorf ein. Das heisse hochsommerliche Wetter wird uns die nächsten Tage mehr beschäftigen als uns lieb ist. Wir registrieren uns im Rennoffice und packen die grosse Tasche, die wir erhalten, mit unseren Laufsachen für die nächsten acht Tage. Alles ist mindestens doppelt dabei, mit eingepackt ist auch die Winterausrüstung. Bei mir kommen schlussendlich die drei Paar Schuhe mit, die ich vorgesehen habe. Abends gehen wir an die Pastaparty und ans anschliessende Briefing der ersten Etappe. Gespannt und mit Vorfreude, dass es endlich losgeht, gehen wir bald schlafen.
Tag 1 : Oberstdorf nach Lech. 34.60 km / 2083m+, 1469m-
Heute starten wir erst um 10 Uhr. Es ist somit auf der ganzen Strecke schon sonnig und heiss. Gleich nach dem Start im ersten Aufstieg ist mein Puls bei 170! Gar nicht gut, ich schnaufe wie ein Pferd. Obwohl wir eher langsam laufen, kriege ich den Puls nicht in den Griff. Erst nach der Fiderescharte (2214 m.ü.M.) fällt der Puls auf ca. 135. Endlich kann ich nun normal laufen. Die ersten Stunden haben aber Kraft gekostet. Zusammen mit der Hitze, die auch in der Höhe kaum nachlässt, ist mein Gefühl nicht gut. Als wir endlich Warth erreichen, hoffe ich auf ein einfaches Schlussstück. Aber die Strecke führt ganz hinunter an den Lech. Auf der anderen Talseite führt ein stetiges und kräftezehrendes Auf und Ab im engen Tal endlich nach Lech, unserem Tagesziel. Ziemlich ausgepowert setze ich mich in den kalten Lech und geniesse das kalte Wasser. Abends ist unsere Stimmung eher besorgt: Was wäre, wenn wir bereits am nächsten Tag ausscheiden? Die ganze Vorbereitung für nichts? Nun, wir verlassen uns auf unsere Erfahrung und schlafen doch mit einiger Zuversicht ein.
Tag 2 : Lech nach St. Anton am Arlberg. 24.70 km / 1899m+, 2040m-
Wir starten heute um 8 Uhr mit einem Aufstieg, der uns direkt auf 2339 m.ü.M. bringt. Den ersten Teil geniessen wir im Schatten. Heute ist der Puls da, wo er sein muss. Trotz der Hitze geht es schon besser. Einige Trails sind heute sehr schön zu laufen. Burkhard und ich laufen sehr ähnlich, so dass wir uns kaum abstimmen müssen. Meistens wechseln wir nur an den Verpflegungsstellen ein paar Worte. Während dem Laufen ist jeder mit sich beschäftigt. Nach Kilometer 14 müssen wir nochmals einen grösseren Aufstieg bewältigen, bevor wir den langen Abstieg vom Valvagerjoch auf 2543 Meter nach St. Anton (1284 Meter) unter die Füsse nehmen. Mir läuft es heute ganz gut, während Burkhard eher einen schwierigen Tag hat. Auf dem letzten Kilometer in St. Anton auf Asphalt gehe ich total ein, ich leide, bis wir endlich im Ziel sind. Die 30 Grad setzen uns zu. Den späteren Nachmittag verbringen wir mit Massage, trinken, trinken…
Abends beim Briefing gibt es klare Aussagen vom Medical Team: Es wurden zu viele Infusionen bei Läufern verabreicht, denen es etwas unwohl war und die wohl lediglich eine schnelle Erholung wollten. Dies ist nicht Sinn der Sache und eigentlich grotesk. Jeder kennt die Bedingungen, zusammen mit der Pflichtausrüstung und entsprechendem Verhalten muss ein Läufer in der Lage sein, die Strecken ohne medizinische Hilfe zu absolvieren. Fazit: Wer eine Infusion braucht, ist ein Notfall und damit aus dem Rennen. Diese Massnahme wird ihre Wirkung nicht verfehlen und von den allermeisten Läufern begrüsst.
Tag 3 : St. Anton am Arlberg nach Landeck. 39.60 km / 2658m+, 3133m-
Wir kommen auf Touren. Heute laufen wir kontrolliert durch. Wir haben nun den Rhythmus gefunden, so dass wir von nun an keine Probleme mehr haben mit den Cut-off Zeiten. Im ersten Aufstieg nach dem Start laufe ich eher verhalten, trotzdem haben wir bei V1 genügend Reserve aufs erste Zeitlimit. Zudem sind wir heute auf schönen Singletrails unterwegs. Im Lauf des Tages fordert die grosse Hitze bei einigen Läufern ihren Tribut. Heute sind viele Höhenmeter zu absolvieren. Unsere GPS Uhren werden am Nachmittag 43 Kilometer anzeigen. Wir laufen in Landeck über die Innbrücke ins Ziel. Auch heute waren die letzten Kilometer im Tal wieder extrem streng, es ist einfach zu warm. Burkhard läuft auch das letzte Teilstück sehr stark. Heute geniesse ich die wohltuende Massage in einem Kino, in dem die Bühne kurzerhand mit etwa 10 Massageliegen umgenutzt wurde. Unser Hotel ist direkt beim Start/Ziel. Wir lassen es uns gutgehen und geniessen einmal mehr den Vorzug eines eigenen Zimmers. Fürs Camp sind wir wohl zu alt 🙂
Tag 4 : Landeck nach Samnaun. 45,70 km / 2861m+, 1829m-
Königsetappe mit Start um 7 Uhr. Gleich nach dem Start folgt der längste Aufstieg der Tour. 1640 Meter müssen bis zum Fisser Joch bewältigt werden, bevor der erste Downhill auf uns wartet. Im Nachhinein eine lange und strenge Etappe. Königlich sind die Trails heute aber nicht. Wir laufen einen längeren Teil auf Skihängen, zwischen Masten von Schneekanonen und Liftstationen. Ja, liebe Skifahrer, im Sommer sieht das gar nicht schön aus.
Endlich können wir bei angenehmen Temperaturen laufen. Beim Aufstieg zum Arezzjoch und zur Ochsenscharte auf 2787 Meter wird es richtig alpin. Diese Landschaft gefällt uns sehr. Das Team Höhenfeuer läuft kontrolliert und bei guter Laune. Wir sind sehr froh, dass wir nicht mehr so unter Zeitdruck laufen müssen. Trödeln dürfen wir nicht, wir machen an den zwei bis drei Verpflegungsposten einer Etappe nur drei bis fünf Minuten Pause. Aber zumindest haben wir die Cut-off Zeiten nicht permanent im Nacken. Wir erreichen Samnaun bei guter Laune, die Bauern führen das letzte Emd gerade noch trocken ein. Wir sind bereits im Hotel, als der erste Regen fällt. Einen Kommentar zu Samnaun mit seinen Duty-free Shops mit den vielen Shoppingtouristen verkneife ich mir. Wir geniessen Sauna, Massage und ein leckeres Abendessen im Hotel. Die Pastaparty lassen wir wieder mal sausen, da sie wieder auf einer Bergstation stattfindet. Wir haben keine Lust, mit der Seilbahn zur nebelkalten Alp Trida zu fahren.
Tag 5 : Samnaun Bergsprint. 6.23 km / 731m+, 60m-
Es regnet und es ist nun definitiv kalt geworden. Ab 10 Uhr gibt es Einzelstart zum Bergsprint zur Alp Trida. Wir spulen die gute Stunde ab, wobei ich keinerlei Ambitionen habe, Tempo zu machen. Heute ist Ruhetag. Im Ziel gehen wir zum Mittagessen (Pastaparty), die im Ziel auf der Alp Trida stattfindet. Das Essen ist lecker, eine schöne Auswahl steht zur Verfügung. Den Nachmittag verbringen wir mit Sauna, Dampfbad und diversen Vorbereitungen für den nächsten Tag. So langsam denken wir an Sulden – unser grosses Ziel. Die Massage ist wiederum sehr wohltuend, und ich staune, dass ich immer noch mit guten Beinen laufen kann.
Tag 6 : Samnaun nach Scuol. 37.10 km / 2064m+, 2698m-
Bei kühlem Wetter starten wir in Samnaun. Trotz dichter Bewölkung werden wir trocken durchkommen, der starke Regen wird erst abends in Scuol niedergehen. Nochmals ein paar Skilifthänge, bevor wir schöne Singletrails laufen können. Die Aufstiege bewätligen wir wieder ganz gut, bei den Downhills verlieren wir jeweils wieder etliche Plätze. Aber man sieht sich ja wieder beim nächsten Aufstieg 🙂 Von der Fuorcla Campatsch auf 2730 Meter führt ein langer Downhill hinunter bis nach Scuol im Unterengadin. Zunächst können wir schön laufen. Danach wird es mühsam, teilweise führt die Strecke auf geradem Weg eine steile Wiese hinunter, dann ein Asphaltstück. Aber irgendwann erreichen wir Scuol. Eine beeindruckende Brücke führt hoch über dem Inn ins Ziel. Scuol hat sehr charmante Plätze und Gassen. Wir haben eine eigene Wohnung in einem alten Engadinerhaus in einer ruhigen und verwinkelten Gasse. Da es abends stark regnet, verzichten wir wieder einmal auf Briefing und Pastaparty. Eine feine Gerstensuppe und Pizza liefern das Brennmaterial für morgen.
Tag 7 : Scuol nach St. Valentin. 37.80 km / 1633m+, 1369m-
Die wirkliche Königsetappe. Die ersten sechs Kilometer laufen wir etwas verhalten dem rechten Innufer entlang nach Sur En. Ich spüre mein linkes Knie etwas (die Downhills…) und möchte nichts riskieren. Wir wollen nach Sulden! Was nun folgt, ist das Highlight des Laufes! Wir laufen durchs Val d‘Uina. Die Unwetter im Sommer haben auch hier Schäden verursacht. Aber das Tal ist wunderschön. Zudem zeigt sich die Sonne wieder zaghaft. Im oberen Teil verengt sich das Tal zu einer steilen Klamm. Wir laufen nun auf schmalen Wegen, die in den senkrechten Fels geschlagen wurden. Überall tropft und plätschert es. Die Luft, die Stimmung – einfach magisch. Wir Läufer sind alle begeistert und schwärmen von diesem Abschnitt. Nach der Schlucht, im Gebiet des Schlingpasses öffnet sich die Landschaft wieder zu Hochebenen, die zu durchlaufen eine Freude ist. Bei V2 nochmals ein Aufstieg auf den Schafberg. Der Weg führt nun durch einen Latschenwald, der im feuchtwarmen Wetter aromatisch duftet. Bald haben wir das Südtirol vor uns, die Trails führen nun durch einen lichten Lärchenwald hinunter nach St. Valentin. Und nun wissen wir: Wir werden den TAR finishen. Nun kann uns nichts mehr stoppen. Bei Kilometer 35 laufen wir an unserem Berghotel vorbei ins Ziel in St. Valentin. Nach dem Zielbier beim Gore Tex Stand laufen wir die zwei Kilometer wieder steil hinauf ins Hotel. Dort warten eine sehr schöne Saunalandschaft und zwei grosse Andreas-Hofer-Schnitzel auf uns. Beim Abendessen treffen wir zwei Spanier wieder, die den UMSDT auf Mallorca ebenfalls gelaufen sind. Die Begegnung ist sehr herzlich. In den vergangenen sieben Tagen hat man den einen oder anderen Läufer kennen gelernt. Die Freude ist dann immer gross, diese im Rennen wieder zu treffen. Die Ausfallquote ist doch recht hoch. Ach ja, wir treffen jeweils am Morgen Beate (ebenfalls aus dem Saarland wie Burkhard, ich ordne sie der Hendrik-Fraktion zu), die wir „adoptiert“ haben. Wir haben uns im Frühling auf den 112 Km auf Mallorca flüchtig kennengelernt. Beate läuft seit dem dritten Tag ohne ihren Teampartner. Jeden Morgen vor dem Start holt sie bei Burkhard ihre Tagesration „Motivation“ ab. Sie kämpft sich die Berge hoch, bei den Downhills läuft sie uns um die Ohren.
Tag 8 : St. Valentin nach Sulden. 42.60 km / 2381m+, 1934m-
Der letzte Tag. Es regnet und es ist kühl. Auf uns warten 42 Kilometer. Der letzte Schlussaufstieg aufs Bärenjoch (2880 Meter) ist uns erlassen worden, weil Schnee liegt und die anspruchsvolle Route zu gefährlich wäre. Freude herrscht unter den Läufern. Nur noch 40 Kilometer! Diese Einstellung mussten der eine und andere bitter büssen. Die Alternativroute hat es in sich, und so ganz unbelastet liefen die meisten nicht mehr. Schon mehr als 15000 Meter Aufstieg und mehr als 250 Kilometer in den Beinen gehen nicht ganz spurlos an einem vorüber. Ich (bzw. mein Knie) überstehe die ersten 15 schnellen Kilometer recht gut. Danach kommen lange Aufstiege, teilweise auf schwerem und nassem Boden. Unsere Laune wird immer besser, da können uns weder ein Stockbruch (schon wieder Burkhard) noch die Schlusssteigungen etwas anhaben. Und dann laufen wir in der Sporthalle in Sulden ein. Ein paar Tränen kann ich nicht zurückhalten. Burkhard und ich – Höhenfeuer – finishen den Transalpine Run. Notabene bei der ersten Teilnahme. Bald trifft auch Beate im Ziel ein, die Gratulationen sind herzlich. Sie hat fast die ganze Strecke solo gekämpft — Chapeau. Und überall blickt man in glückliche und zufriedene Gesichter.
Abends steigt die grosse Finisher Party. Dort erhalten wir auch die Trophäe – das Finisher Shirt des TAR. Das hat nicht jeder 🙂 Noch einmal ein gemeinsames Abendessen, Episoden und Glückwünsche werden ausgetauscht. Alle, die es bis ins Südtirol geschafft haben, wissen um ihre Leistung. Ein bisschen stolz sind wir schon darauf, dies geschafft zu haben.
Gore Tex Transalpine Run – Mein Fazit:
- 268 Kilometer, 16310 Höhenmeter +, 14532 Höhenmeter –
- Die Trails sind vor allem im 2. Teil der Strecke teilweise sehr schön
- Die Organisation war nahezu perfekt. Taschentransport zum/vom Hotel, abwechslungsreiche und genügend Verpflegung, Streckenmarkierung, Betreuung und Show, alles sehr professionell. Danke an die vielen netten Helfer
- Ich bin die ganze Strecke mit zwei Paar Salomon Speedcross gelaufen
- Gute und besondere Stimmung, da man die Läufer immer wieder trifft. Mit der Zeit bildet sich eine kleine Gemeinschaft, man achtet aufeinander
- Highlight: Etappe 7 im Val d’Uina – immer wieder
- Die Massagen waren jeden Euro wert!
- Dass die Pastaparty manchmal nur per Seilbahn erreichbar war, finde ich nicht optimal. Lange Wege und viel Zeit werden dazu benötigt.
Burkhard, du bist ist für mich der beste Laufpartner, den ich mir vorstellen kann. Wir laufen sehr ähnlich. Zudem wirken dein Optimismus und deine gute Laune einfach ansteckend. Ich habe die acht Tage mit dir genossen. Die Anstrengungen und das gemeinsame Erreichen des Ziels waren eine grosse Freude.
Das mit den Stöcken lernst du sicher auch noch. Ich laufe immer noch mit meinem ersten Paar 😉
And last but not least: Ein ganz herzlicher Dank geht an all die lieben Freunde und Verwandten, die mit ihren Gedanken und ihrem Support immer wieder mit dabei waren.
Etappe 1
Etappe 2
Etappe 3
Etappe 4
Etappe 5
Etappe 6
Etappe 7
Etappe 8
Comments
Hoi Hans
Soeben haben wir mit wachsender Begeisterung deinen Laufbericht gelesen und die aussagekräftigen Bilder bewundert.
Dein Aufwand hat sich ausbezahlt. Und mit einem zuverlässigen Partner so etwas gemeinsam zu erleben ist einfach wertvoll. Wie hoffen und wünschen, dass sich dein Knie wieder erholt und du noch viele solcher high lights absolvieren kannst. – Wir haben dich auch in der Schlusssequenz (Gore Tex) zusammen mit Burkhard erkannt. Da wären mir auch ein paar Tränen über die Wangen gekullert.
Herzliche Gratulation euch beiden.
Erich und Elfi
Hallo Hans,
sehr beeindruckend, dein Bericht und die Bilder.
Das muss eine tolle Erfahrung für euch beide gewesen sein.
Da kann man nur sagen : Chapeau!!
Herzliche Grüße aus dem Saarland
Gaby u. Ralf
Hallo Hans,
bin gerade erholt von den Strapazen des TAR aus dem Urlaub zurück und habe deinen wundervollen Laufbericht gelesen und befand mich ganz schnell wieder «mitten im TAR» und seinen vielen tollen Eindrücken und Erlebnissen.
Ganz liebe Grüße aus dem Saarland
«Adoptivkind» Beate