Nach 19 Stunden und 46 Minuten laufe ich im Ziel ein, zusammen mit Volker, einem Läufer aus Deutschland. Wir haben uns beim letzten Aufstieg in der Nacht zusammen getan und uns gegenseitig ins Ziel gepusht. Meine Emotionen im Ziel sind gar nicht so überwältigend, ich bin einfach sehr zufrieden und glücklich. 100 Kilometer und 5420 Höhenmeter Aufstieg liegen hinter mir. Doch nun etwas der Reihe nach.
Um 06:30 checke ich ein zur Ausrüstungskontrolle, der neueste Wetterbericht wird verlesen. Um 07:15 ist der Start. Aus den Lautsprechern im Startgelände kracht „Highway to Hell“. Auf den ersten 25 Kilometern bin ich etwas irritiert und finde meinen Lauf-Rhythmus nicht. Das sehr abwechslungsreiche Terrain macht es einem nicht ganz einfach, aber irgendwann kapiere ich es. Von nun an laufe ich steil auf und ab, über Wurzelwege, steinige Abschnitte, aufgeweichte Böden. Oft sind die Trails sehr schön zu laufen, schmal und abwechslungsreich. Mit der Zeit höre ich auf zu rechnen und laufe einfach. Das bedeckte Wetter ist optimal, es ist nicht zu warm, nur etwas feucht. Zwischen KM 30-38 erreichen wir die höchsten Passagen, da regnet es während etwa einer Stunde aus dem Nebel. Es ist garstig und die Sicht ist keine. Bei zwei Schneefeldern wurden Fixseile verlegt, eines davon über eine längere Strecke. Ich komme gut, aber mit kalten Händen durch diese Stellen, ich sehe auch die eine oder andere Sturzeinlage, aber nichts Schlimmes. Bei jedem Verpflegungsposten tanke ich Energie aus dem reichhaltigen Angebot. Im Lauf des Tages stelle ich um und esse nur Orangenschnitze, Melonenstücke, Kuchen, Salz und Wasser. Die Gels bleiben alle im Rucksack für den Notfall. Gegen Abend und in der Nacht nehme ich zudem Tee und Suppe. Damit komme ich durch den ganzen Lauf ohne irgendwelche Probleme mit der Verdauung. Bei KM 56 wechsle ich Schuhe und Socken, was eine Wohltat ist. Tja, man freut sich an den kleinen Dingen.
Nach etwa 70 km ist für mich klar, dass ich das Ziel erreichen werde, wenn nichts Aussergewöhnliches mehr passiert. Bei KM 80 stelle ich mich auf die Nacht ein. Nochmals gut verpflegen, Stirnlampe aufsetzen und ein langes Laufshirt anziehen — es geht weiter. Es stehen nochmals 1200 Höhenmeter an zwischen mir und dem Ziel. Ab einer Höhe von etwa 1600 Meter liegt der Wald hinter uns, die alpine Landschaft wird offen, ein paar Schneefelder glänzen im Vollmond. Dieser zeigt sich zumindest sporadisch, was mich sehr freut. Diese Momente sind schön und einmalig, die Anstrengung und Müdigkeit verschwinden für ein paar Minuten. Die letzten 15 km laufe ich zusammen mit Volker, einem netten Kerl aus Erlangen (er wird nach ein paar Stunden Schlaf den Heimweg von 300 km mit dem Fahrrad abspulen und am Montagabend endlich auch genügend müde sein…). Wir helfen und motivieren uns gegenseitig, machen bei der letzten Verpflegung nur noch einen ganz kurzen Stopp und können die letzten 6 km im steilen Gelände noch einmal Vollgas geben. Wir überholen einige Läufer und haben beste Laune. Die letzten 2 km unten in Grainau laufen wir in hohem Tempo dem Ziel entgegen. Völlig durchgeschwitzt laufen wir gemeinsam um 3 Uhr im Ziel ein und fallen uns in die Arme. Geschafft — ich bin zufrieden.
Der Lauf war sehr gut organisiert, bei den Verpflegungsposten herrschte vor allem gegen Abend und in der Nacht eine sehr herzliche Atmosphäre. Die Rettungskräfte in den Bergen, welche die Strecke Tag und Nacht absicherten, grüssten uns — «nur noch ein paar Kilometer» — und verbreiteten mit ihren Lagerfeuern eine schöne Stimmung. Briefing, Informationen, warme Duschen, für mich hat es gestimmt. Einzig die Photospots sind etwas ideenlos ausgewählt worden, in den Bergen hätte es schöne Abschnitte gehabt, bei denen man richtige Trail-Photos hätte machen können.
Comments
Glückwunsch zu deiner starken Leistung.
Mein Kollege Peter ist 16.11Std. Kollege Hubert 21.07Std. und ich 22.01Std. gelaufen. Alle vom Laufteam Holzbau Maier.
Gruss von Wotsche aus Haslach.
Hallo Hannes
Gratuliere dir zu dieser tollen Leistung!!! Hut ab. Toll, so einen fiten Bruder zu haben. Ich freu mich total für dich. Bin super stolz auf dich.
Hallo Hans
Wow, gratuliere dir zu dieser aussergewöhnlichen Leistung. Schön dass der ZUT so reibungslos verlaufen ist und du in dieser tollen Zeit finishen konntest.
Wünsche dir nun eine gute Regeneration und vielleicht sieht man sich ja am Mountainman.
Viele Grüsse
Flavio
Hoi Hans
Soeben haben wir, nach unserer Rückkehr vom Schwabenland, deinen Bericht vom ZUT gelesen.
Für dich ein grossartiges Erlebnis – für uns Hochachtung vor dieser aussergewöhnlchen Leistung.
Nochmals aufrichtige Gratulation.
Wir sind stiolz auf dich.
Herzliche Grüsse
Elfi und Erich